Was ist natürliches Lernen?
Natürliches Lernen ist selbstinitiiertes, selbstgesteuertes und bedürfniszentriertes Lernen, das in Begegnungen und Erfahrungen wurzelt und in direktem Bezug zum persönlichen Erleben steht. Damit einhergehende Lernprozesse sind sehr individuell, effektiv und nachhaltig und oftmals mit Begeisterung verbunden. Lernen ist ein menschliches Grundbedürfnis, das Kinder von Geburt an verfolgen. Auf natürliche Art lernen sie in ihren ersten Lebensjahren eigenständig und mit Begeisterung laufen, sprechen und noch vieles mehr, ja sie fangen sogar einfach an, mit Buchstaben und Zahlen umzugehen, ohne dass man sie dazu erst überreden oder gar zwingen müsste. Diese Freude und Eigenständigkeit und dieses Interesse am Lernen kann zeitlebens erhalten bleiben.
Voraussetzungen dafür sind, dass das Lernen in einer frei gewählten, anregenden, gewaltfreien, und unterstützenden Umgebung stattfinden kann, und dass es begleitet wird von Bezugspersonen mit einem grundlegenden Vertrauen in die natürliche Selbstverständlichkeit des Entwicklungsprozesses. Natürliches Lernen wird seit Anbeginn der Menschheit praktisch vollzogen, und seit den 1990er Jahren beschäftigt sich auch die Neurobiologie mit dieser Bildungsform und ihren Wirkungen.
Was sind Freilerner?
Freilerner ist eine Entlehnung des englischen Begriffes Unschooling, den John Holt geprägt hat. Freilerner sind Menschen, die sich von zu Hause aus frei und in eigener Verantwortung bilden. Das heißt, frei lernende Kinder werden nicht zu Hause nach Lehrplan unterrichtet. Sie sind also keine Homeschooler, sondern sie folgen ihrem eigenen inneren Curriculum. Sie haben Eltern, die auf ihre natürliche Entwicklung vertrauen und davon ausgehen, dass ihre Kinder lernen werden, was für sie und ihr individuelles Leben wichtig und von Bedeutung ist. Freilernen bedeutet, seine eigenen Talente zu ergründen und zu Fertigkeiten auszubauen. Gelernt wird, was gebraucht wird, aktuell oder langfristig von Interesse ist. Freilerner lernen im täglichen Leben, im eigenen Tun, in der Begegnung mit anderen Menschen, in Gesprächen. Sie eignen sich Wissen über verschiedene Medien (z. B. Bücher), Aktivitäten (z. B. Fußballspielen) und Veranstaltungen (z. B. Theaterbesuch) an. Sie schöpfen aus dem unbegrenzten Lernspektrum, dass das Leben und die Welt ihnen bietet.
Haben Freilerner soziale Kontakte?
Frei lernende Kinder haben die gleichen sozialen Kontaktmöglichkeiten wie Kinder, die eine Bildungsinstitution (z. B. Schule) besuchen. Zunächst einmal haben sie ihre Familie, also Eltern und meist auch Geschwister und Großeltern, manchmal auch noch weitere Verwandte. Freilernende Familien suchen darüber hinaus auch rege Kontakte zu Gleichgesinnten, sodass sich oft Treffen ergeben und Freundschaften unter den Kindern entstehen. Fast jedes Freiernerkind hat vielfältige soziale Kontakte zu Menschen aller Altersgruppen in der Nachbarschaft und in verschiedenen Lebensbereichen (z. B. Bäckersfrau). Sie sind auch frei in der Wahl ihrer Bezugspersonen, wenn es um das Lernen eines bestimmten Fachthemas gemacht, worüber sich auch wieder neue Sozialkontakte erschließen können.
Welche beruflichen Perspektiven bieten sich Freilernern?
Kinder, die außerhalb von Bildungsinstitutionen selbstbestimmt lernen, haben die gleichen beruflichen Perspektiven wie beschulte Kinder. Nur haben sie die Möglichkeit, sich örtlich, zeitlich und personell uneingeschränkt auf das Fachgebiet ihrer Wahl schon frühzeitig spezialisieren zu können. Freilerner finden in der Regel schon in jungen Jahren heraus, welche Neigungen sie besitzen und welche Aufgaben und Herausforderungen ihnen liegen. Steht ein konkreter Berufswunsch fest, wird ein Freilerner alle Anstrengungen unternehmen, das relevante Wissen sich anzueignen und die entsprechenden Ausbildungen und Praktika zu durchlaufen sowie notwendige Prüfungen zu absolvieren. Wenn Schule allerdings kein optimaler Lernort für ein bestimmtes Kind ist, dann hat dieses Kind tatsächlich als selbstbestimmter Freilerner bessere berufliche Perspektiven.
Und wenn ein Freilerner aber gar nichts lernt?
Geistes- und naturwissenschaftlich betrachtet lernt der Mensch immer, überall und zu jeder Zeit. Lernen ist nicht immer an ein sichtbares Tun gebunden. Jede Handlung ist ein Lernprozess, der den Menschen in der Spezialisierung seiner Fertigkeiten ein Stück weiterbringt. Kinder, die aus einer Bildungsinstitution (z. B. Kindergarten) in das freie Lernen wechseln, durchlaufen oft einen Prozess, der Entschulung genannt wird. Diese Phase äußert sich oft in Verhaltensweisen, die nicht auf den ersten Blick einen Lernprozess offenbaren. Im Erwachsenenalter und bei Berufstätigen sind diese Auszeiten inzwischen weit verbreitet und größtenteils akzeptiert (z. B. Sabbatjahr). Sie sind auch bei Kindern schon ein wichtiger Bestandteil in einer biografischen Umbruchphase und sollten daher geduldig respektiert werden. Jeder Mensch hat das natürliche Bestreben nach Weiterentwicklung, daher wird auch ein frei lernendes Kind, wenn es (wieder) bereit dazu ist und seinen Weg gefunden hat, (für andere eindeutig sichtbare) Lernaktivitäten in Angriff nehmen. Wichtig sind dabei Bezugspersonen mit einer guten Beobachtungsgabe, die dem Freilerner unterstützend zur Seite stehen können.
Dann ist ein Freilerner also nur zu Hause?
Das kommt ganz auf seine Interessen und Bedürfnisse an und darauf, wie er diese zu Hause erfüllt bekommt. Grundsätzlich ist freies Lernen, eben anders als die Schulbildung, an keinen festen Ort gebunden. Manches lässt sich einfach zu Hause lernen (z. B. lesen), anderes wiederum erfordert bestimmte Voraussetzungen, die ein normales Zuhause meist nicht bieten kann (z. B. Kuhmelken). Dann gilt es, dass die Bezugsperson des Freilerners diese Lernerfahrung über Aktivitäten und Ausflüge ermöglicht.
Wie sind Beruf und freies Lernen für Freilernereltern vereinbar?
Freies Lernen kann auf unterschiedliche Art organisiert werden. Viele Eltern von frei lernenden Kindern sind Freiberufler oder Selbstständige, die Arbeitszeit und -ort frei wählen können. Dadurch können sie ziemlich schnell und flexibel auf die Lernbedürfnisse ihrer Kinder reagieren. Aber auch berufstätige Eltern können ihren Kindern freies Lernen ermöglichen, indem sie auf Unterstützer aus ihrem familiären oder freundschaftlichen Umfeld oder aus dem Freilernernetzwerk zurückgreifen.
Wie ist die rechtliche Situation für Freilerner?
Freies Lernen, also Bildung zu Hause, ist als Bildungsoption weltweit fast ausschließlich akzeptiert. Viele europäische Staaten verfügen über plurale Bildungssysteme, die es jedem Kind ermöglichen, sich nach seinem individuellen Vermögen zeitlich flexibel und ortsunabhängig zu bilden. In Deutschland ist das anders: In Deutschland besteht die Schulpflicht. Sie besagt, dass jedes Kind im schulpflichtigen Alter, also in der Regel von 6 bis 18 Jahre, eine Schule besuchen muss.
Welche Konsequenzen ergeben sich dadurch für Freilernfamilien in Deutschland?
Grundsätzlich ist, die Schulpflicht zu verletzen, eine Ordnungswidrigkeit, die auch geahndet werden kann. Dennoch entscheiden sich viele Familien für freies Lernen und finden individuelle Lösungen, es innerhalb dieser gesetzlichen Grauzone des Schulrechts ihren Kindern zu ermöglichen. Gerne sind auch Freilerner des BVNL! e. V. bereit, ihre Erfahrungen und Tipps im persönlichen Kontakt weiterzugeben.
Hier sind die häufigsten Fragen zum Thema Freilernen aufgeführt. Weiterführende Infos enthält die Linksammlung.